Als vor dem Frühjahrsfest die Drachen den letzten Mond fraßen

Heute ist Frühjahrsfest, wie die Chinesen ihr Neujahrsfest nennen. Ab morgen beginnt das Jahr der Ratte.

2020, wie auch im Jahr 326 (das Jahr in dem die Abalone-Saga beginnt), geschah etwas Besonderes: Während des letzten Vollmondes vor dem Frühjahrsfest gab es eine Mondfinsternis.

Und? Mondfinsternis? Ist das wichtig?
Entscheidet selbst!

Es ist unbestreitbar, dass alle alten Völker großen Respekt vor Sonnenfinsternissen und Mondfinsternissen empfanden.

Nicht etwa, weil sie dämlich genug waren, zu fürchten, dass Mond und Sonne für immer verschwinden würden. Die Menschen haben damals Pyramiden gebaut. Sie haben die Bewegungen der Planeten und des Mondes für viele Jahre bis ins Kleinste vorhergerechnet und in ihrer Baukunst berücksichtigt. Sie waren zehntausend Mal mehr in Harmonie mit dem Kosmos als wir.

Die Menschen früherer Zeiten waren nicht “abergläubisch” oder dumm.


Sie fürchteten sich vor Eklipsen, weil zu dieser Zeit ein großer energetische Sog entsteht. Eine Eklipse ist wie ein schwarzes Loch – ein kosmischer Staubsauger – und sie frisst alle unreinen und wirr herumfliegenden Energien auf.

Das ist gut. Es schwächt aber auch, denn wir alle sind mehr oder weniger voll von energetischem Müll.

Die alten Chinesen sagten bei einer Mondfinsternis: “Die Drachen, die Kräfte des Himmels, fressen den Mond”.

 

Frühjahrfest oder chinesisches Neujahr – kurz erklärt

Das chinesische Neujahr beginnt immer am Neumond. Im Jahr 2020 ist das heute Nacht. Zum Frühlingsfest gehören die Tage zwischem dem Jahresanfang (Neumond) und dem ersten Vollmond.

Am letzten Tag des Frühjahrsfestes, wenn der Mond sich zum ersten Mal rundet, tragen Kinder prächtige Laternen durch die Straßen. 2020 werden es Laternen in Ratten/Maus-Form sein (Ratte und Maus haben in China den gleichen Namen).

Nach dem Frühlingsfest beginnen tatsächlich die Bäume auszuschlagen. Sogar bei Schnee. Schaut in den nächsten Tagen einmal nach draußen: Es ist faszinierend.

Damit das „Frühlingsfest“ die Zeit der Frühlingsgefühle bleibt, und nicht von Jahr zu Jahr immer früher kommt, wird zwischendurch ein Schaltmonat eingeschoben. Der traditionelle chinesische Bauernkalender ist eine Mischung aus Mond- und Sonnenkalender und „hurenkompliziert“, wie meine Schweizer Freunde sagen würden. Zumindest für mich. Deshalb höre ich an dieser Stelle auf.

 

Die Mondfinsternis am 10. Januar 2020

Vor zwei Wochen, am 10. Januar 2020, gab es in China eine große Mondfinsternis. Meine chinesische Freundin saß mit in ihrer Tochter in Macao auf dem Dach und sah zu, wie die Drachen den Mond fraßen. Für uns Europäer kam die Mondfinsternis zu früh, um sie richtig beobachten zu können. Dennoch konnten auch hier viele Menschen die Erschöpfung und buchstäbliche Aufgelöstheit spüren, die solche Ereignisse mit sich bringen.

Ich habe eine Menge Post mit Fragen und Bitten um Rat anlässlich dieser Mondfinsternis bekommen – was mich gefreut hat. Es zeigt, dass immer mehr Menschen unsere Wahrnehmung für die Dinge der Zwischenwelt wieder aktivieren.

 

Leben in kosmischen Zyklen (12 Jahre und 5x12=60 Jahre)

Jetzt kommt der wirklich faszinierende Teil, der uns zeigt, wie sehr wir sogar in unseren kleinen menschlichen Dingen, tief in die Geschehnisse des Kosmos verwickelt sind. Festhalten, es wird kompliziert, wie immer, wenn es um Kalenderangelegenheiten geht (finde ich):

Als ich mich vor zwölf Jahren, im Jahr der Erd-Ratte, entschied, dass das Fantasy-Abenteuer meiner Heldin Abalone im Jahr 326, einem Jahr des Feuer-Hundes, beginnen würde, begann ich als allererstes, zu recherchieren, wann die wichtigen Feste, die Mondphasen, die Jahreszeiten, die Bewegungen der Planeten usw. in jenen Jahren waren. Ich schrieb sogar chinesische Horoskope für meine Personen.

Sogar wir abgestumpften Handygucker bekommen einiges von diesen Dingen mit. Wie viel mehr müssen magisch talentierte weise Frauen einer früheren Zeit sie empfunden haben:

Meine Bücher folgen dem Rhythmus des Mondes, weil Frauen (und Männer) damals so lebten. Weil die magischen Kräfte von Frauen zur Zeit des Neumondes andere sind als zur Zeit des Vollmondes.

(Außerdem ist es bei einer abenteuerlichen Geschichte mit Verfolgungsjagden und heimlichem Herumgeschleiche in dunklen Winkeln eine praktische Erfordernis, zu wissen, wann die Nächte dunkel genug für solche Eskapaden waren. Künstliches Licht gab es ja bekanntlich wenig.)

 

Während ich also verschiedene Kalender verglich, fand ich heraus, dass das Jahr 326 mit einer Mondfinsternis begann. In der Nacht eben dieser Mondfinsternis lernen wir Abalone kennen (falls wir sie nicht schon aus “Abalone und das Tigergesicht” kennen). In dieser schicksalhaften Nacht, in der die Drachen den Mond fressen, trifft sie ihre folgenschwere Entscheidung.
Zwei Wochen später, zum Frühjahrsfest, begegnet sie der Schlangengöttin, und danach gibt es wirklich kein Zurück mehr, sie verlässt ihre zwölfjährige Gefangenschaft und das Abenteuer beginnt.

Zwölf Jahre ist es her, als ich all diese Dinge recherchierte und begann, die abenteuerlichen Reisen der Schamanin Abalone aufzuschreiben. Heute beginnt ein weiteres Jahr der Ratte. Und so wie Abalone nach dem Frühjahrsfest ihre zwölfjährige Gefangenschaft verlässt, so gehen jetzt, nach zwölf Jahren, meine Bücher in die Welt.

In beiden Fällen, bei Abalones Reise durch das alte China, wie auch bei der “Reise” meiner Bücher an die Öffentlichkeit, beginnt das schicksalhafte Jahr mit einer Mondfinsternis, die den letzten Mond frisst und allen alten Plunder fortnimmt. Dies hätte ich niemals so planen können. Und dennoch habe ich es genauso erschaffen:

Die Zukunft kommt nicht von außen auf uns zu, sie tritt aus uns hervor. Sie entsteht in uns, in unserer Imagination, in unseren Herzen. Weil aber unsere Herzen ein tiefes Gespür für Rhythmen verkörpern, lassen sie die Dinge im Takt zu den Rhythmen des Kosmos entstehen.

Die Rhythmen des Kosmos mögen zu hurenkompliziert sein, um sie im Kopf zu verstehen. Allzusehr darüber nachzudenken und zu grübeln, lässt uns dann leicht einmal vor Sorgen erstarren. Dann, aber nur dann, werden wir zu Opfern und passiven Erleidern.

Wenn wir unseren Herzen vertrauen, so formen diese, bescheiden und unermüdlich, die Dinge in vollkommener Harmonie zu den anderen Dingen, den Menschen und zum ganzen Kosmos.

Dies wollte ich euch mitgeben zum neuen Jahr. Es ist ganz einfach. Vertraut euren Herzen und alles wird gut.

Vielleicht, wenn ihr näher verstehen oder erahnen wollt, was für eine Zukunft sich in euren Herzen für euch herausbildet, erinnert euch, was vor zwölf Jahren, 2008, im letzten Jahr der Ratte bei euch war. Vielleicht habt ihr Fragen aufgeworfen, die nun beantworten werden oder Lebensphasen begonnen, die nun ihren Abschluss finden.

Was ist im vergangenen Rattenjahr bei euch passiert?
Was habt ihr erlebt, gedacht, geplant, gefühlt?
Könnt ihr einen Zusammenhang zum nun kommenden Jahr erspüren?

Wenn ihr Lust habt, so schreibt mir oder schreibt in den Kommentar! Es freut mich riesig, von euch zu hören.

Ein schönes Ratten-Jahr! Mit Freude, Klugheit, rasanten Neuanfängen und mächtig viel Spaß und Glück in Geldsachen!

 

“Am 5. Januar 326 gab es eine totale Mondfinsternis. In Chinas Hauptstadt Jiankang war zu dieser Zeit die Nacht schon fast vorbei.

Die „Gewöhnlichen Menschen“ stöhnten im Schlaf und wickelten sich fester in ihre Decken. Sie hatten andere Sorgen. Seit Generationen überzog Krieg das Land und stürzte die Völker in tiefes Elend.

Dann gab es diejenigen, die seit jeher um die Zeichen des Himmels wissen.

Im weit entfernten Dschungel versiegelte eine dunkle Königin ihren letzten Topf.

In einer Hafenstadt des Südens blickte ein Magier weinend über das Meer.

Die silberne Prinzessin saß in ihrer Ruine und schlug die Saiten ihrer verwunschenen Qin.

Premierminister Wang, eingehüllt in Wolken von Adlerholz und Ambra, plante den nächsten Zug in seinem Go-Spiel.

Der alte Herr tauchte den Pinsel in kieferduftende Tusche.

Seine junge Frau aber schlich hinaus in die Nacht.”

aus: “Abalone und die Schlangengöttin”

christine li8 Comments