Wenn es nicht gedruckt ist, ist es eigentlich gar kein Buch. Echt?

Morgen am 1. Mai 2020 erscheint mein neues Buch “Abalone und die Schlangengöttin”. Das erste Buch meiner “Legende von Abalone” über eine Schamanin im alten China.
Ein gratis-Kurzroman ist hier auf meiner Webseite herunterzuladen, und wer dieses Buch gerne gedruckt lesen möchte, bekommt es bei Amazon.

“Abalone und die Schlangengöttin” ist nicht gratis, aber bis zum 1. Mai sehr billig vorzubestellen: Als eBook. Bei Amazon und Tolino (Hugendubel, Thalia, Weltbild).

Ein Druckbuch kommt auch, wie bei all meinen Büchern. Für mich ist Drucken aufwendig, kompliziert und (außer bei Amazon) teuer, aber manche lesen lieber Papier und vor allem in der Hängematte oder am nassen Schwimmbadrand hat ein Papierbuch seinen Charme und Nutzen.

Nachdem ich solchermaßen alles in die Wege geleitet hatte, hätte man meinen mögen, alle könnten sich entspannt zurücklehnen und auf den 1. Mai warten, wenn das Buch auf die Lesegeräte der VorbestellerInnen geladen wird.

Doch die Tatsache der digitalen Existenz meiner Bücher, noch dazu beim “großen bösen A”, wird nicht von allen gelassen hingenommen.

 

Wann immer ich irgendwo die schmutzige Wahrheit publiziere, so wie gestern per E-Mail, erreichen mich virtuelle Stapel von Protestschreiben – ebenfalls per E-Mail. (Ja, E-Mails! Nächstes Mal bitte auf ökologischem Japan-Papier, handschriftlich, Bio-Tinte!).

In den Mails heißt es (ich paraphrasiere): „Ich würde ja wirklich gerne dein Buch lesen – aber so nicht! “

Darauf folgt unweigerlich eines von drei Dingen:

1. Ein schroffes: “Ich lese nicht elektronisch” + ein paar schwärmerische Zeilen über das sinnliche Rascheln richtigen Papiers.

2. Ein herablassendes: “Bei Amazon würde ich niemals bestellen” + ein paar belehrende Worte darüber, dass ich die „armen, kleinen Buchhändler“ ausbluten lasse.

3. “Ich besitze keine Lesegerät.”

 

Nummer 3. ist leicht beantwortet: Du besitzt einen Computer oder ein Tablet? Dann verwende einfach eine gratis Lese-App. Die gibt es für alle Geräte. So lese ich auch, da mir bisher noch keines meiner Kinder zum Muttertag ein Lesegerät geschenkt hat …
Oder warte auf das Papierbuch, das ich nur leider nicht superbillig anbieten kann, da es mich ja auch eine Menge Geld kostet.




Fragen Nummer 1. und 2. betrüben mich aber doch.

Sie unterstellen dass ich

1. ein grober, unästhetischer Mensch bin

oder

2. kein gesellschaftliches Verantwortungsgefühl besitze oder einfach keine Ahnung habe, was da draußen so geht.

(Ich boykottiere seit 1972 Nestlé, da war ich ein Kind, noch Fragen? Durchatmen!!!)

 

Also. Da ich, aufgrund besagter Betrübnis, einen großen Teil meiner Zeit damit verbringe, diese Briefe von Nicht-Leserinnen zu beantworten und mich zu allem Überfluss fürchterlich zu rechtfertigen, beantworte ich Frage 1 jetzt kollektiv hier im Blog.

(Frage 2, zu der Verantwortung von SchriftstellerInnen gegenüber den Buchhändlern, wird im Internet bereits an vielen Stellen beantwortet, und jedes Mal bekommen die mutigen SchriftstellerInnen solch einen Ansturm von aggressiven Briefen, dass ich mir das jetzt mal erspare. Nur so viel: Wir SchriftstellerInnen, in der Nahrungskette weit unter den „armen, kleinen Buchhändlern“, lassen niemanden “ausbluten”. Wir sind, als Berufsgruppe, ohnehin selten die Hauptverdächtigen in Fällen von Untergang des Abendlandes.

Wenn die Buchhändler in ihren Regalen mal etwas anderes auslegen würden als endlose Reihen jener immer gleichen Bestseller, die die großen Konzerne ihnen aufdrücken … dann wären die Indie-AutorInnen vielleicht motivierter, von Amazon wegzugehen. Aber irgendwo müssen wir unsere Bücher ja verkaufen. So. Ich hoffe, das blieb jetzt unter dem Shitstorm-Radar)

Zurück zu Punkt 1:

Ich bin Schriftstellerin. Ich liebe Bücher. Ich habe gerne einen Stapel davon neben meinem Bett. Ich besitze eine große Bibliothek alter chinesischer Bücher und ein Tablet voller eBooks. Meine Kinder haben von klein auf gelernt, mich schnell an Buchläden vorbeizuziehen – Bücher sind meine Schuhe – damit sie den Nachmittag mit Mama nicht zwischen Regalen verbringen mussten.

Inzwischen lebe ich lieber minimal und horte weder CDs noch neue Bücher. Aber es fällt mir immer noch schwer, mich von meiner chinesischen Bibliothek zu trennen, und ich verstehe, dass meine LeserInnen ähnliche Sensibilitäten haben.
Deshalb gibt es ja die Printversionen meiner Bücher.

 

Der aktuelle Stand meiner Druckversionen – Amazon, Print on Demand oder Verlagsausgabe?

Kurzversion für LeserInnen:

Meine bisherigen Bücher werden im Falle einer Bestellung einzeln bei Amazon gedruckt. (das erspart die Lagerhaltung, ist aber nicht ganz billig)

“Zwerglein und Apfelbaum” kann man auch als Großdruck bestellen, mit spezieller Serifenschrift für Menschen mit schwächeren Augen.

Mein neuestes Buch „Abalone und die Schlangengöttin“ wird ebenfalls bei Amazon gedruckt werden. Der Nachteil: Amazon-Taschenbücher können nur bei Amazon bestellt werden. In den Buchhandel kommen sie nicht. Daher plane ich nun zusätzlich ein Ausgabe bei einem anderen der vielen Print-on-Demand Anbieter. Dies ist für mich schwieriger und teurer. Die Bücher kommen so aber ins Verzeichnis lieferbarer Bücher.

 

Eine paar Gedanken für neue AutorInnen

Achtung: dies sind persönliche Erfahrungen und simple Überlegungen. Wer ausführliche und gut recherchierte Tipps für praktisch alle Fragen des Selbstpublizierens sucht, kommt nicht an der Selfpublisherbibel von Matthias Matting vorbei, bei dem ich mich an dieser Stelle für seine große Unterstützung bedanken möchte.

3 Gründe warum Amazon gut für Einsteigerinnen ist, ein unentschiedener Punkt und ein ganz großer Punkt dagegen.

+Es ist leicht! Allein der Cover-Generator ist Gold wert.

+Es ist billig.

+Es ist flexibel. Ich muss keinen Vertrag abschließen, nichts bezahlen und treffe alle Entscheidungen selbst.

+-Die Produktionskosten für ein Papierbuch sind nicht ganz so hoch wie bei den anderen Anbietern. Die Druckqualität ist dafür nur so lala. Für Bibliophile ist das nichts.

—Amazon ist Amazon.

 

3 Gründe warum andere Print-on-Demand-Anbieter gut für Selbstpubliziererinnen sind und ein großer Punkt dagegen.

Die einzelnen Anbieter unterscheiden sich im Einzelnen sehr erheblich.

+Sie beliefern die Buchhändler , oder könnten es – wenn jene es denn wollten. (Dazu weiter unten mehr).

+Einige von ihnen, nicht alle, machen tatsächlich schönere Bücher – vorausgesetzt Layout und Satz wurden von Seiten der AutorInnen gut gemacht.

+Sie sind lokal, zahlen keine Hungerlöhne und planen nicht die Übernahme der Welt durch Roboter.

-Sie sind teuer. Drucken heißt bei fast allen Print-on-demand-Anbietern, ich muss das Editieren, Setzen und Layouten selbst übernehmen und eigens zu diesem Zweck teure Software erwerben oder ich muss Tausende von Euro Vorkasse dafür leisten, dass es jemand anderes für mich tut. Es heißt außerdem, dass ich mich vertraglich an das Print-on-Demand-Unternehmen binden muss und meine Marge (bei gleichem Endpreis) meist noch deutlich niedriger ist als bei Amazon-Druck.

 

Ein riesiger Grund warum ein Verlag dein bester Freund sein könnte und vier dagegen – darunter ein ganz großer.

Ich hatte bereits einige Bücher bei “richtigen” Verlägen. Darunter einen Bestseller (“Der Weg der Kaiserin).
Dies habe ich gelernt:

++es ist sehr bequem: schreiben, einschicken, niemals wieder etwas hören (nett sind die meisten Verläge nicht, sie behandeln Autorinnen wie kleines Ungeziefer.) oder einen fertigen Vertrag unterschreiben. Fertig.

-wie immer bedeuten Bequemlichkeit und Sicherheit, dass man alle Macht abgibt. Wenn der Verlag ein geschmackloses billiges Cover wählt, muss eine Autorin dies hinnehmen.

-Verlage machen üblicherweise keine Werbung für die Masse der Autoren. Wer Bücher verkaufen will, muss also doch aktiv werden. Sollte es einen Profit geben, profitiert vor allem der Verlag.

-Verläge (und Buchhandel) behalten fast alles Geld.

--Die AutorInnen geben alle Rechte auf ihre Bücher ab (ALLE) und bekommen sie heutzutage auch kaum noch wieder (höchstens mal aus “Kulanz”). Das ist für mich das Ärgerlichste.

 

Verläge nutzen ebenfalls Print on Demand (natürlich zahlen sie dafür viel weniger als Indie-Autoren) Für große internationale Verläge ist print-on-demand demnach eine traumhafte Lösung. Mit der Möglichkeit, jedes beliebige Buch sofort liefern zu können, erweitern sie nach Herzenslust ihr Sortiment, ohne die Bücher tatsächlich in den Handel bringen zu müssen – sie sind bei Bedarf ja bestellbar.

In die Schaufenster und auf die Büchertische der Läden kommen stattdessen vom Verlag in Asien gedruckte Stapel der großen (meist amerikanischen oder englischen) Dauerbrenner. Denn Verlage finanzieren sich über Bestseller.

Die gewöhnlichen Schriftsteller bei Verlagen bleiben “bestellbar” und verdienen erst, wenn ihr Buch (meist durch intensive Eigeninitiative der AutorIn) ein Bestseller wird. Alle anderen verschwinden schnell in der Versenkung und bekommen zugleich die Rechte auf ihre Bücher niemals wieder – denn aufgrund von print-on-demand bleiben sie für immer lieferbar. Bücher sind also nie vergriffen, und die Rechte gehen damit nicht an die AutorInnen zurück.

 

Fazit für alle

Ich werde, weil ihr Papier so liebt, weiterhin Amazon-Druck betreiben und demnächst auch über Print-on-Demand-Anbieter arbeiten, damit die Bücher in den Buchhandel kommen können. Ob sie es dann tun, liegt an den Buchhändlern.


Layout, Coverdesign und Satz kosten mich viel Mühe und Zeit, die meiner Meinung nach besser ins Schreiben investiert wäre.

Mein ursprüngliches Geschäftsmodell war nämlich, dass ich einfach schreibe – möglichst immer, möglichst Tag und Nacht und möglichst, ohne erst noch Excel und Buchsatz lernen zu müssen). Dieses Modell beruhte darauf, dass ich alles einsetze, dass meine Bücher so mitreißend und wahr sind, dass ihr sie lesen wollt, auch wenn sie gar nicht oder auf kostbarem Klopapier gedruckt sind.

Dieser Plan geht im Augenblick noch nicht auf. Nun ja. Ich drucke ja auch für diejenigen, die kein Lesegerät haben und nicht mit der App zurechtkommen und für den Fall, dass der Strom ausfällt, und ihr meine Bücher bei Kerzenlicht lest oder am nassen Schwimmbadrand.

 

Dennoch frage ich: Wird ein Buch, der Traum eines anderen Menschen, in Tausenden von Stunden erdacht und gefeilt, wirklich wertvoller, weil er auf Büttenpapier mit vergoldetem Schnitt und in einem Einband aus gespaltenem Kalbsleder daherkommt?

Wollt ihr das Buch oder wollt ihr die Geschichte?

So. Ein Teil eurer Protestschreiben wäre somit beantwortet.

Eure Gedanken interessieren mich wie immer sehr. Wie würdet ihr euer Buch veröffentlichen?


…und ich editiere jetzt weiter den nächsten Band 2 der Legende von Abalone “Abalone und die Spinnenprinzessin”. Abalone wird stärker und entsprechend wird sie vor schwerere Prüfungen gestellt. Es ist nicht leicht, eine Göttin zu werden. Aber für euch tu ich alles ;)

Die “unvergleichliche Dame Wei” - deren Lehrbuch der Kalligraphie Abalone in die Hand fällt

Die “unvergleichliche Dame Wei” - deren Lehrbuch der Kalligraphie Abalone in die Hand fällt

christine li4 Comments