Ein kosmischer Scherz – und eine Nicht-Selbstverbesserungs-Übung für dich
Der Mond war heftig und nun nimmt er wieder ab. So langsam gehen alle Energien dieses Jahres ins Yin. Die politische und soziale Lage scheint sich zu verdüstern. Freundschaften und Familien zerbrechen. Neue Allianzen entstehen.
Es wird dunkel.
Was immer erfreulich ist, aus meiner daoistischen Perspektive.
Ich finde, es ist absolut lächerlich, Menschen aufgrund ihrer medizinischen Vorgeschichte in Gut und Böse einzuteilen.
Zum Glück finden das viele.
Es ist jetzt höchste Zeit, solche Spaltungen zu überwinden.
Meine kleinen Ahnen-Kurse möchten dazu ein Beitrag sein. (Anmeldung bis zum 28. 11. 2021.
“Der Mensch trägt immer seine ganze Geschichte und die Geschichte der Menschheit mit sich.”
Gerade die Deutschen und die Österreicher haben versucht, diese Weisheit des großen Carl Gustav Jungs zu ignorieren und sich kollektiv von ihrer Familiengeschichte abgespalten. Traumatisierte Kriegsheimkehrer wurden gnadenlos zum Schweigen verdammt. Die Vergangenheit musste verstummen. Die Ahnen wurden verraten.
Stattdessen beten wir seit 70 Jahren mantra-mäßig „nie wieder“. Das hilft aber nix, wie wir zur Zeit gut sehen können.
Verrat an den Ahnen, Trennung, Distanz, Urteil und Abspaltung beginnen immer in uns selbst.
Unzählbar viele Menschen (und Nicht-Menschen) haben ihre Spur in uns hinterlassen. Da waren der garstige Ex und die freundliche Kindergärtnerin und der kleine Hund.
Jede Person, der wir je begegnet sind, und alle, denen diese je begegnet sind und so weiter - sie alle wirken in uns - und nicht immer so, wie unser Ego, das überaus exorbitant grandiose Vorstellungen von uns kultiviert, es gerne hätte.
Zu all diesen Wesen, aus denen wir zusammengesetzt sind, gehören auch unsere Ahnen.
Die Ahnen haben uns viel Leid und ärgerliche Kleinigkeiten mitgegeben. Aber auch allerlei unentdeckte Talente. Das eine gehört zum anderen.
So kann es sein, dass wir Urgroßvater Eduard nicht nur die komische Nase sondern auch einen unbeschreiblich guten Geruchssinn und damit Instinkt verdanken. Solange wir mit der Nase in Unfrieden sind, kann uns die positive Seite dieses Erbes nicht zugänglich werden.
(ein albernes Beispiel…aber du verstehst).
Daher möchte ich dir meine kleine Nicht-Selbstverbesserungs-Übung vorschlagen.
Die Übung fängt an, wie die meisten Selbstverbesserungs-Übungen:
Nimm dir einen Zettel und ein Stück Papier!
(gähn.)
Aber dieses Mal wollen wir uns nicht selbst verbessern.
(Wir könnten auch ganz damit aufhören. Nur so eine Idee.)
Wir sind absolut richtig so – oder zumindest halbwegs erträglich ;)
In den, viel eleganteren, Worten von Carl Gustav Jung: “Ich will lieber ganz sein, als gut.”
Keine Selbstverbesserung, also. Schließlich gehen wir jetzt ins Yin. Schwarz wird Weiß. Karneval. Aufruhr. Tag der Narren.
Die Übung ist einfach:
Schreib alles auf, was dir an dir selbst missfällt!
Lass den Zettel rumliegen, bekrakele ihn nach Belieben mit lustigen Figuren, und trage über die nächsten Tage immer mehr deiner "Schandtaten" ein!
Versuche, jeden noch so kleinen nörglerischen Gedanken zu erhaschen. Tu es mit Genuss!
Der Speck an den Oberschenkeln.
Die unaufgeräumte Schublade.
Deine faulen Kompromisse.
Die abgenagten Fingernägel.
Die chaotische Buchführung.
Ein hässlicher Hauch von Geiz.
Zu viel Zucker.
Zu viel Rotwein.
Viel zu viele Schuhe.
Die krummen Zehen.
Kleine oberpeinliche Macken.
Unzufriedenheit.
Das unbenutzte Trainingsgerät.
Der unabgetaute Kühlschrank.
Ein Telefonat, das du vor dir herschiebst.
Der abgebrochene Kurs.
Deine feige passive Aggressivität.
Deine Lügen.
Deine Heuchelei.
Deine Prüfungsangst.
Dein ungemachtes Bett.
Deine Bedürftigkeit und Klammerigkeit.
Deine ständige Unzufriedenheit mit dir selbst.
Tob dich richtig aus, bis du selbst kichern musst über so viel Meckerei.
Lass dir ein paar Tage Zeit. Deine Selbstnörgelei wird attackenweise kommen. Ebbe und Flut. Aber dieses Mal schwemmt sie dich nicht fort. Du schreibst alles einfach auf und feierst dich.
Denn jeder Punkt ist ein Sieg und gibt einen Punkt (oder ein Sternchen).
Versuche, soviele Punkte wie möglich zusammenzutragen.
Betrachte es als deine persönliche Olympiade. Bemühe dich, auf jeden Fall mindestens eine Silbermedaille zu ergattern.
Ist es nicht erstaunlich, wie du das alles ein Leben lang ausgehalten hast?
Sehr viele, die meisten, dieser Verhaltensweisen und Gedanken hast du von anderen Menschen übernommen. Von Verwandten, Freunden, Unbekannten und auch von deinen Ahnen.
Hier steckt dein wahres Erbe, deine Mitgift und, auf heimlich und verborgene Weise, vielleicht dein verborgenes Talent.
So wie der erstaunliche Geruchssinn von Urgroßvater Eduard.
Indem du dich von all diesen kleinen Stückchen deiner selbst abspaltest, verarmst du dich selbst und trägst zur großen Spaltung bei.
Du bist nicht “gut genug” – wie es in Selbst-Verbesserungskreisen gerne heißt. Alles an dir ist genau so, wie es eben ist, und damit weder gut noch schlecht!
Kannst du damit leben?
Damit, dass du in Zukunft nichts mehr an dir verbesserst?
Damit, dass du dich einfach in Ruhe lässt.
Damit, dass du endlich anfängst zu leben?
Damit dass du dir Kleider in deiner Größe kauft und nicht mehr darüber nachdenkst, wie du aussehen könntest wenn?
Damit, dass du nicht mehr 37 angefangene Kurse vor dir herschiebst?
Damit, dass du dir eingestehst, dass du Zen Meditation rein persönlich schweine-langweilig findest und das ist die Wahrheit?
Oder fühlst du, dass dir damit etwas Wesentliches entgeht? Brauchst du deine großen narzisstischen Grandiositätspläne?
Wozu?
Es gibt kein Gut und Böse. Schluss damit!
Dazu nochmal Meister Jung: “Die schwarz-weiße Eindeutigkeit ist ein Zeichen der Schwäche.”
Ende der Übung:
Ich schlage vor, dass du dir, wenn dir nach ein paar Tagen langsam die Ideen ausgehen, alles noch einmal vorliest, am besten mit verstellter, quäkiger, nörgelnder oder keifender Stimme.
Dann kannst du dir in deiner eigenen Stimme laut die Erlaubnis geben, genau so zu sein, verdammt noch mal, und fürs Erste (und Zweite) nichts mehr an dir ändern zu wollen.
Gib den Widerstand gegen dich selbst auf, denn du hattest von Anfang an nie die geringste Chance gegen eine so starke Person wie dich!
Erkenne, dass es ein kosmischer Scherz von gigantischem Ausmaß ist, dass du, ein unsterblicher Geist auf einer unfassbar großartigen Forschungsreise auf einem so verrückten Planeten wie dem unseren nichts besseres zu tun hast, als pausenlos an dir selbst herumzunörgeln!
Das wars auch schon.
In Liebe.
P.S.: Schreib gerne hier unten in die Kommentare eine besonders nervige oder komische Eigenschaft von dir.
Mal sehen, was wir so zusammentragen!
Hier kommt meine:
Ich schreibe ständig neue Ideen auf Zettel, die zu riesigen Stapeln anwachsen und irgendwann ungenutzt in den Ofen kommen.
(Ich hab noch viel peinlichere Sachen, aber die kommen hier nicht rein. Dazu gibt es die Abalone-Briefe)